Der 2. Band

Untertitel: All-Gemeinheiten und Allgemeinheiten

(ähnlich Band I nur in Grün statt Dunkelblau)

So sieht das Cover von Band II aus. Das Buch ist seit dem 28.1.2010 im Handel.


Als nächste Leseprobe mag ein Abschnitt aus Band II dienen. Er ist als Beitrag „Mein Meer und der grausame Tsunami“ in der Anthologie „Mein Meer“, HolzheimerVerlag, Sept. 2008, ISBN 978-3-938297-78-0 veröffentlicht worden.
(siehe dort, hier nur ein Abriss; anschließend hier der Folgeabschnitt des Romans):

Während des Tsunami-Ereignisses in Thailand zum Jahreswechsel 2004/2005 sind ATI°NUILL°O (Ati°Nuillo; in der Anthologie Ate-Nelli genannt; Ehefrau des Kevin) und eine ihrer kleinen Töchter (Ruth; RUTH°O) verschollen! Deren Zwillingsschwester Luise (LUITH°O) und Kevin selbst (KSCHUD°U) entrinnen knapp dem Tode! Ein Teil der Familie (u. a. seine Mutter und Jollo [JOLL°O; Kevins „Freundin“]) befinden sich zur Zeit des Unglücks auf einem Ausflug und entkommen so dem direkten Inferno...

Dieses erschütternde Ereignis habe ich gewählt, um beständig an die grausame Natur zu erinnern, aber auch um zu zeigen, wie es wohl jemandem ergehen könnte, der 1. aus einem völlig anderen Kulturkreis stammt und obendrein 2. aufgrund körperlicher Defekte unfähig ist, mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren. Dieser Jemand ist Ati°Nuillo, die sonst zu den gebildetsten Bewohnern des Exoplaneten zählt und hier zum hilflosesten Geschöpf wird.

Als Fortsetzung der Anthologie...

...hier die nächste Leseprobe:

(gekürzte Fassung; Kevin berichtet aus Khao Lak...
Eine wichtige Eigenschaft Ati°Nuillos ist im Text mit langen Punktreihen ausgeblendet, um Euch hier nicht zu verwirren und die Spannung zu erhalten...)


...Jetzt zuckte mir der Schock durch die Glieder: >Wo ist meine liebe Ruth geblieben? Und wo ist meine liebe Ati°Nuillo?<
Wir beide, Luise und ich, waren schätzungsweise fast zwei Kilometer abgetrieben. Wo sollte ich anfangen zu suchen? An sich war der Gedanke viel zu verfrüht, wir waren ja selbst noch nicht in Sicherheit. Aber sind überhaupt klare Gedanken in solch einer Situation möglich?

Luise begann leise zu weinen. Vorsichtig zog ich sie auf unserer schwankenden Unterlage näher an mich heran und untersuchte sie. Ihr Kleid war völlig zerfetzt. Da es nass und damit kalt war, riss ich es ihr ganz vom Leib, um auch zu sehen, ob und welchen Schaden sie genommen hatte. Sie trug ja noch den Badeanzug. Abgesehen von einem knallroten Unterarm, wo ich sie so brutal, aber lebensrettend gegriffen hatte, hatte sie nur ein paar Abschürfungen am Hals und an einem Bein, sonst fehlte ihr nichts. Gott sei Dank! – >Wo sind meine liebe Ruth und meine liebe Ati°Nuillo geblieben?< Vor innerem Schmerz war mein Gesicht zur Grimasse entstellt, meine äußerlichen Schmerzen wurden mir kaum bewusst. An einer Wade hatte ich eine kleine Fleischwunde, sonst überall nur Prellungen und wenige Abschürfungen. Alles halb so schlimm. Aber wie sollte es weitergehen? Ich war zu nichts mehr fähig…

Wie lange wir hier hockten, weiß ich nicht. Ich dämmerte apathisch vor mich hin – Luise schlief. Plötzlich rief uns jemand auf Englisch an. Der Wasserstand war schon deutlich gefallen, und ein Jeep war bis zu uns vorgedrungen. Ich sprang ins nur noch knöcheltiefe Wasser, hob mein Luise-Bündel hinüber und kletterte hinterher. Der Jeep pflügte vorsichtig durchs Wasser weiter, sammelte noch drei Leute auf, dann kehrte er um und brachte uns zu einer erhöhten Sammelstelle – eine Wiese in einem Park.
Nachdem unsere Namen registriert waren, bekamen wir einen Platz zugewiesen und zu trinken. Ich erhielt auch einen Verband um die Wade und Luise ein Tuch um den Leib. Wir sollten erst einmal ruhen. Es war mir unmöglich, wusste ich doch meine kleine Ruth irgendwo draußen und wollte sie gleich suchen gehen. Auch Ati°Nuillo. Davon hielt man mich aber fast mit Gewalt ab. Entweder seien sie irgendwo in Sicherheit, dann würde es ihnen gut gehen und sich das Problem von alleine in kurzer Zeit lösen oder… man sprach den Gedanken nicht zu Ende… Ich sah es nur mühsam ein. Noch unter Schock schliefen wir beide Arm in Arm ein.

Nach nicht allzu langer Zeit erwachte ich wieder. Mir taten alle Knochen im Leib weh, und der Arm, auf dem Luise ruhte, war mir eingeschlafen. Vorsichtig befreite ich mich von ihr und versuchte zu den anderen Leuten Kontakt aufzunehmen. Um uns befanden sich hauptsächlich Engländer und Deutsche. Auch der Vater mit seiner Tochter, die uns warnte, war hier. Ich sprach sie an und lobte das Mädchen. Melanie hatte gerade Tsunamis in der Schule durchgenommen und wusste, dass sich oft das Wasser zurückzieht, bevor die große Welle kommt. (Stimmt dummerweise nicht immer! Manchmal lohnt es sich doch, in der Schule aufzupassen!) Leider vermissten die beiden auch ihre Mutter, die auf Stadtbummel war. Damit standen die Chancen für die Frau gut, sich irgendwohin ins Hinterland gerettet zu haben. Aber meine Ati°Nuillo?
Jetzt kam Bewegung in die Leute. Ein Lastwagen holte uns ab, um uns je nach körperlicher Verfassung in ein provisorisches Lager oder ein Krankenhaus zu verteilen. Er brachte uns beide in eine einfache Schule. Vater und Tochter schlossen sich uns an. Wir verabredeten, nacheinander auf die Kinder aufzupassen, damit wir abwechselnd Zeit hätten, die anderen Sammelstellen nach Angehörigen abzusuchen oder überall Zettelnachrichten zu hinterlassen.

Brian ließ mir den Vortritt, denn er hatte in seiner Hosentasche sein Portemonnaie gerettet, in dem sich ein Familienfoto befand. Das gab er mir mit, damit ich es irgendwo im Krankenhaus mit der vorübergehenden Schulhausadresse versehen anheften konnte. Mit zitterigen Knien stapfte ich durch das Chaos los. Es war unbeschreiblich. Überall Gerümpel, Wracks von Autos und Maschinen, Sand und Schlamm, Äste und scharfkantige Bleche. Schließlich erreichte ich das Krankenhaus. Ich durfte durch alle Räume gehen. Die Patienten lagen oder saßen dicht nebeneinander. Die Betten reichten kaum. Einige Schwerverletzte stöhnten leise. Doch Ruth konnte ich nirgends entdecken. Auch von Ati°Nuillo keine Spur.
Vor einer riesigen Pinwand, die provisorisch im Eingangsbereich aufgebaut worden war, auf der schon Hunderte von Nachrichten steckten, herrschte großes Gedränge, trotzdem nahm jeder auf den Nachbarn Rücksicht. Sorgfältig musterte ich Zettel für Zettel – nichts – kein einziger Hinweis. Fotos besaß ich keine. Also heftete ich das Familienbild der Engländer und einen Zettel von mir ebenfalls an die Wand. Zerknirscht kehrte ich ins Lager zurück. Warten – ja worauf warten? Zumindest müssten sich die anderen Familienausflügler bald melden. Die müssten doch von dem Unheil gehört haben und zurückkehren? Wohin eigentlich? Unser Hotel, ja unseren Ort gab es nicht mehr!

Man beruhigte uns. Listen aus anderen Lagern wurden herumgereicht. Hier und da flammte Freude auf, wenn ein Angehöriger als lebend gemeldet wurde. Aber in jeder Familie oder Gruppe fehlte mindestens eine Person, manchmal auch mehrere. Die Ungewissheit war unerträglich.

Endlich! Jollo tauchte auf. Mir schossen die Tränen in die Augen. Sie hatte meinen Zettel entdeckt und holte uns beide nun in ihr provisorisches Ausweichquartier. Kurz berichtete ich ihr, dass wir Ati°Nuillo und Ruth vermissten. Sie schluchzte bitterlich drauflos…

(…Der Rest der Familie war natürlich ebenfalls entsetzt. Am nächsten Tag zogen Jollo und ich erneut auf Suche los…)

…Jollo und ich setzten ab hier getrennt unsere Recherchen zu Fuß fort. Schnell fand ich die Stelle wieder, wo Luise und ich auf der Brettertür ausgeharrt hatten. Ich peilte von dort die Richtung zum ehemaligen Hotelkomplex an, stoppelte los und suchte alle Winkel besonders intensiv ab. Unweit unseres Landeplatzes machte ich eine plötzliche Entdeckung – Noththu (Luises Holzelefant)! Unter einem Wirrwarr von Ästen und einem Wellblechdach schaute sein Hinterteil aus dem Schlamm. Mühsam zerrte ich ihn hervor. Es war tatsächlich ohne Zweifel unser Elefant. Leider fehlten ihm der Rüssel und ein Zahn. Etwas absurd schoss es mir durch den Kopf, das könne man leicht reparieren, und klemmte mir den Dreckspatz unter den Arm.
Ich überlegte krampfhaft. Wenn Noththu hierher getrieben war, bevor Ruth mit dem Gummielefanten fortgeschwemmt wurde und Luise und ich in fast dieselbe Richtung davon getragen wurden, müsste Ruth doch in der gleichen Umgebung zu finden sein. Ich fragte einen Suchtrupp. Sie zuckten mit den Achseln und meinten, niemanden, auf den Beschreibung passte, gesehen zu haben, weder unter den Lebenden noch unter den Toten. Alle offen liegenden Leichen hätten sie bereits geborgen, wer oder was sich noch unter dem Schutt verstecke, wisse man erst in den nächsten Tagen und Wochen. – Hm – nicht gerade tröstlich!

Stundenlang stromerte ich hier noch herum, fand aber nichts. Um den Tag nicht völlig vergeblich zu beenden, wanderte ich schließlich zur Tauchschule. Schlamm – nichts als Schlamm – der schöne Strand war eine elende Wüstenei. Das Polizeiboot, das die königliche Familie beschützen sollte, lag wie gestrandeter Wal weit ab von der Küstenlinie in einem abgeknickten Palmenhain. Hier waren einige Leute beschäftigt. Ich fragte sie nach meiner Ati°Nuillo. Verständnislos starrten sie mich an. Es war mir zu blöd, ihnen den genauen Sachverhalt zu erläutern. Bevor sie mich für verrückt erklärten, weil ich mit einem lädierten Elefanten unterm Arm nach einer absurden Frau .......... fragte, machte ich mich schleunigst von dannen…

Nach einer Viertelstunde Wegs traf ich auf die Überreste der Tauchschule, zu der Ati°Nuillo hingehen wollte. Wider Erwarten war sie nicht so arg demoliert wie der übrige Hauptort. Auch hier teilte ich mein Suchanliegen den Helfern mit und erntete ein ähnliches verständnisloses Kopfschütteln wie bei dem Boot. Immerhin wusste einer der Helfer vom angeblichen Urlaub Außerirdischer in der Nachbarschaft. Es stellte sich heraus, er war Deutscher und ehemaliger Besitzer der Schule. Seine Skepsis war mit knappen sachlichen Worten über die Zusammenhänge leicht zu zerstreuen. Daraufhin beruhigte er die übrigen Helfer und bestätigte ihnen, ich sei noch nicht reif für die Klapsmühle. Hatten seine Freunde mich vorher nur belächelt oder mir gar nicht genau zugehört, meinte plötzlich jemand, sich an eine Geschichte über eine merkwürdige Frau zu erinnern.
Sofort bekam ich spitze Ohren. Der Tauchlehrer und ich versuchten den Mann nun auf Englisch auszuquetschen, aber es wollte ihm partout der Zusammenhang des Gerüchtes nicht einfallen, er wusste lediglich, dass die Frau angeblich lebte! Immerhin eine Spur Hoffnung!
Ich verabschiedete mich überschwänglich und wollte nun in einem Bogen mehr im Binnenland suchend weiterstapfen. Sobald ich mich hundert Meter entfernt hatte, kam der Mann wild mit den Armen fuchtelnd hinter mir her: „Ich weiß wieder, was ich gehört habe. Eine seltsame Frau, die nicht reden und essen könne, solle sich schwer verletzt irgendwo bei einer Familie aufhalten. Die Familie hätte selbst schwer zu leiden. Wer das aber sei, wisse er nicht. Es sei wie gesagt nur ein Gerücht gewesen. Er hätte es als übertriebenes Märchen nicht geglaubt, aber wenn ich so eine Frau suchen würde, sei es wohl wahr.“
Welch himmlische Nachricht! Das müsste Ati°Nuillo sein! Kein Zweifel! Bloß wie sollte ich sie finden? Ich fragte den Mann, ob er mich nicht an die Quelle des Gerüchts oder wenigstens in deren Nähe führen könne, damit ich dort ansatzweise weitersuchen könne. Er lief zurück, sagte den anderen auf der Baustelle Bescheid. Dann führte er mich hurtig ins Hinterland…

(…wo wir auf weitere Männer trafen, die einen ehemaligen Laden aufräumten. Einer von ihnen wollte seinen Sohn befragen und zu uns (mir, Jollo und Tollo) schicken…)

Unsere Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. – Tief durchatmen…
…Nach zwei – drei Stunden tauchten die beiden tatsächlich aus dem Gewühle wieder auf. Der Junge war vielleicht zwölf Jahre alt und bibberte noch mehr als sein Vater vorhin, denn vor Außerirdischen hatte er eine Höllenangst. Er warf sich vor uns auf den Boden, wie er es gelernt hatte, sich seinem König zu nähern. Leider verstand er kein Englisch, jedenfalls nur ein paar Brocken. Der Vater winkte einen Freund heran, der sich im Hintergrund versteckte. Ebenfalls in gebückter Haltung kam dieser herbeigeschlichen. Er konnte wenigstens leidlich Englisch. Jollo und ich versuchten den dreien klar zu machen, sie dürften sich ruhig aus ihrer Ehrenbezeigung erheben. Wir Fremde seien weder Götter noch Könige, sondern einfach nur so ähnlich wie Beamte, bloß eben von einer anderen Welt. Ich trat neben die beiden Gebückten. Dabei erklärte ich, ich sei ein ganz normaler Tourist aus Deutschland und sei schon einmal auf deren Stern zu Besuch gewesen. Dort sähe es ganz ähnlich aus wie hier vor der Katastrophe, und deshalb würden wir hier in ihrem Land Urlaub machen. Als ich dann noch erwähnte, sie würden auch Buddha verehren, richteten sich die beiden freudestrahlend auf. Das war zwar etwas geflunkert, aber gar nicht so verkehrt, jedenfalls lächelten sich nun alle Anwesenden gegenseitig an. Endlich war das Eis gebrochen. Der Junge teilte uns über den älteren Freund mit, er wolle uns gern den Fundort zeigen. Es sei aber weit von hier.
Wir verabschiedeten uns, und ich zog mit den dreien los, den Punkt zu suchen…

(…am nächsten Tag wieder allein…)

Plötzlich kam ein völlig verstörtes Mädchen von etwa acht Jahren längs des Weges mit einem Korb am Arm, als ob sie wie Rotkäppchen gerade vom Wolf geträumt hätte. Sie steuerte auf den ehemaligen Laden zu und blieb verdutzt stehen, als sie niemanden außer mir sah. Auf Thai fragte sie irgendetwas. Ich zuckte mit den Achseln und versuchte eine Antwort auf Englisch. Das verstand sie aber nicht. Sie umrundete mich, und das einzige war, was sie noch sagte, indem sie mich am Ärmel zupfte: „Tourist – Deutschland?“
Ich strahlte sie verdutzt an und bejahte. Es war für sie nicht schwer zu erraten, entweder waren die Touristen Deutsche oder Engländer. Obwohl ich Englisch sprach, musste sie mich an irgendetwas erkannt haben. Vielleicht wusste sie auch nichts Besseres. Eigentlich war es dumm von mir, aber ich gab ihr mit Zeichensprache zu verstehen, ich suche jemanden. Sie lächelte versonnen. Also probierte ich weiter. Ich suche eine Frau. Sie lächelte versonnen. Ich suche eine Frau, die........! Sie lächelte versonnen. Dann ergriff sie meine Hand und murmelte so etwas wie „komm mit“! Keine Ahnung, ob sie verstanden hatte, was ich wollte oder was sie wirklich sagte.
Sie kletterte mit mir über Schuttberge, um Autowracks und umrundete Schlammpfützen. Ziemlich weit entfernt vom Laden standen wir plötzlich vor einer Hausruine – „komm mit“! Gebückt tapste ich ins Dunkel. In Hockstellung kauerte ein Mann, ich schätze mal so Anfang Dreißig, mit rot verweinten Augen. Er glotzte mich wie ein Gespenst an, sagte aber kein Wort.
„Hallo, Entschuldigung, sprechen Sie Englisch?“
Aus dem Halbdunkel meldete sich eine weitere Mädchenstimme. Sie gehörte zu einer schmächtigen etwa Vierzehnjährigen: „Ja, ich kann etwas.“
„Ich suche meine Frau. Das Auffälligste an ihr ist, sie…………!“
Das Mädchen zuckte mit keiner Wimper. Teilnahmslos wollte der Mann jetzt wissen, was ich fragte. Sie übersetzte. Hinter einem Vorhang raschelte es. Ich spitzte die Ohren. Die Kleinere, die immer noch meine Hand hielt, wisperte irgendetwas zu ihrer Schwester.
„Was hat sie gesagt?“ wollte ich wissen.
„Sie sagt, sie hat große Angst. Sie sagt, da hinten ist unsere Mutter. Aber das stimmt nicht. Unsere Mutter hat die Welle genommen. Sie kommt nie wieder!“
„Das tut mir Leid! Kann ich euch irgendwie helfen?“
„Nein, wir haben schon eine neue Mutter. Sie ist bloß krank. Ich pflege sie. Sie wird bald gesund sein.“
Ich musste den Kloß im Halse herunterwürgen. Ich hatte noch nie so hautnah so viel Depressives erlebt, wie bei diesen drei Menschen, die offensichtlich jeglichen Bezug zur Realität verloren hatten. Unschlüssig stand ich unfähig zu Handeln herum. Von nebenan kam ein schwaches Klopfen. Ein Blitz durchzuckte mich – Morsezeichen – Quatsch – das war doch THUTHLUR!!! – K – Sch – U – Klar, den Code der alten Pfeifsprache konnte man auch klopfen – D – U – !!! ‚KSCHUDU’ – meinen thuthlurischen Rufnamen – konnte nur ein Mensch auf der Welt kennen! Mit einem Satz sprang ich hinter den Vorhang: „Ati°Nuillo!!!“
Mit aufgedunsenem Körper lag sie auf einer Matratze und schaute mich mit glasigen, hochfiebrigen Blick an. Es war grauenhaft, sie so leiden zu sehen. Ein Lächeln umspielte für Sekunden ihre Augen, dann schloss sie sie wieder – endlich Hilfe!!!
„ATI°NUILLO SCHALL’ESCHI – TULL’ESCHI – GÎU HASCHSCH’EÏDL GO (liebste A.; sofort, ich werde helfen dir)“, flüsterte ich ihr zu und: „Warum hast du mir nicht gesagt, dass meine liebe Frau bei euch ist?“ fauchte ich die Vierzehnjährige an. Sie zuckte nur mit den Achseln und flüsterte: „Mutter fehlt uns so sehr! Ich habe ihr täglich Reissuppe gekocht und sie gefüttert. Jetzt habe ich Hunger…“ Dann verstarb ihre Stimme. Nach einer Weile entsetzlicher Stille fügte sie hinzu: „Hilf uns, gütiger Mann…“
Sofort war mein Ärger verraucht, und ich fuhr streichelnd beiden Mädchen über das Haar: „Alles wird gut!“

Meine Gedanken rasten allerdings hin und her. Jetzt mussten Nägel mit Köpfen gemacht werden. Ati°Nuillo brauchte umgehend Medikamente, sonst waren ihre Stunden gezählt. Die Rest-Thaifamilie müsste auch dringend versorgt werden, aber das hätte relativ gesehen Zeit. Nur keine Hektik. Wer weiß, wie die Deprimierten reagierten, wenn ich Ati°Nuillo abholen ließ. Da müsste man psychologisch ganz sacht vorgehen: „Ich gehe jetzt, komme aber bald mit Hilfe wieder. Passt schön auf eure Mutter auf. Ich werde euch allen helfen. – Alles wird gut!“

Wie gut, dass ich durchtrainiert war. Ich spurtete dank meines guten Orientierungssinns quer durch die Geografie zum nächsten provisorischen Krankenhaus und fand auch auf dem Rückweg mit den Sanitätern Ati°Nuillos Unterkunft sofort wieder.

Der Rest ist kurz erzählt. Ati°Nuillo hatte sich ein Bein und einen Arm gebrochen. Sie litt Höllenschmerzen. Nach professioneller Behandlung ließ der Schmerz durch die Ruhigstellung der Gliedmaßen schnell nach. Ein Hubschrauber brachte sie in ein richtiges Krankenhaus nach Phang Nga. Die verabreichten Medikamente schlugen sehr schnell bei ihr an. Das Fieber verflog rasch. Die Ärzte wunderten sich über die Rapidheilung und führten es auf ihren extraterrestrischen Körper zurück. Was wir ihnen verschwiegen, Tollo hatte in ihrem Ausflugs-Reisegepäck thuthlurische Mittelchen gerettet, die viel besser wirkten als unsere irdischen, die sie Jollo bei deren Visiten heimlich mitgab, um keine Revolution anzuzetteln. Wir konnten unmöglich so vielen Verletzten helfen. Es reichte gerade für eine Person – Ati°Nuillo!

Jetzt fehlte aber noch jegliche Spur von Ruth!

(…Ihr Verschwinden sollte sich erst ein paar Tage später aufklären - doch davon mehr im Buch…)





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Diese Seite wurde von rudi zuletzt aktualisiert am 19.08.2011

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